
Alles auf Anfang
Ein Langhalsschleifer, ein Defekt, eine Lösung: Die Servicewerkstatt von Festool. Ein Erfahrungsbericht der etwas anderen Art.
Als sich der Systainer wie von Zauberhand öffnet, strahlt mir ein grelles Licht entgegen. War es das etwa? Ist mein Maschinenleben nach einem knappen Jahrzehnt vorbei? Ein Mann mit dunkelblauem T-Shirt mustert mich mit kritischem Blick. Was will er von mir? Normalerweise werde ich einfach aus dem Systainer geholt, zusammengesetzt und dann mache ich mich direkt an die Arbeit. Wände sind mein Spezialgebiet. Ich schleife sie mit Perfektion und Hingabe. Unebenheiten sind mir zuwider. Ich sauge mich mit Unterdruck an und beseitige sie mit meiner ganzen Schleifkraft. Ich versuche meine Gedanken zu sortieren. Das Einzige, an das ich mich noch erinnern kann, ist, dass ich auf einer Baustelle im Einsatz war. Ich schleife gerade – dank der Kraft des mit mir verbundenen Festool Absaugmobils – mit gesunden 210 Millibar Unterdruck über eine herrlich unebene, raue Oberfläche. Dann reißt plötzlich die Erinnerung ab. Ich bin eine Planex und wurde 2009 im süddeutschen Neidlingen gebaut. Der Systainer klappt zu. Ich werde weggetragen.

Familienangelegenheiten
Wenige Minuten später öffnet sich der Deckel des Systainers erneut. Jetzt schaut mich ein anderer Mann mit blauem Hemd an und hebt mich raus. Das müssen Servicetechniker von meiner Familie sein! Doch anstatt mich anzuschalten, dreht er mich behutsam nach links und rechts. Auf seinem Hemd steht der gleiche grüne Schriftzug wie auf meinem Gehäuse: „Festool“. Nicht weit von mir entfernt liegt eine Tauchsäge. „Festool TSC 55 EBQ“ verrät das Typenschild. Offensichtlich eine Akku-Tauchsäge. Mal unter uns: Akkugeräte sind mir suspekt. Arbeiten so ganz ohne Kabel und Strom aus der Steckdose … wie soll das denn gehen? Auf der anderen Seite ist sie frei und ungebunden und mit zwei 18-Volt-Akkupacks steht sie gut im Saft. Bevor ich sie nach ihrem Defekt fragen kann, wird sie weggetragen. Der Mann mit dem blauen Hemd packt mich an meinem langen Hals. Er spricht mit seinem Kollegen, der gerade eine Kapex KS 88 zerlegt. Ich höre nur zwei Wortfetzen: „Eis …“ und „… erst mal richtig sauber machen“.

„Wellness bei minus 78 Grad“
Kurze Zeit später wird mir klar, was „Eis“ mit „sauber machen“ zu tun hat. Ein pistolenförmiges Teil zielt direkt auf meinen Hals. Es zischt! Eiskalte Luft schießt mit hohem Druck heraus; mir blättern die Gips- und Staubreste wie Schuppen vom Gehäuse. Grauenhaft! Der Mann mit der Pistole sieht das offensichtlich ganz anders. Er lacht und redet mit einem Kollegen nur von „Wellness bei minus 78 Grad“ und „Nichts geht über Trockeneis“. Tatsächlich: Ein paar Augenblicke später fühlt sich meine Außenhaut so geschmeidig an wie schon lange nicht mehr. Dann lässt der Finger den Abzug los und der Eissturm lässt nach. Zwar befinden sich immer noch Gipsreste auf meinem schlanken Langhalskörper, aber ich bin deutlich sauberer als vorher! Ich atme durch. Anscheinend wissen die Leute hier, was sie tun … die Frage ist nur: Was kommt als Nächstes?

Auf Ursachenforschung
Einen Moment später finde ich mich auf einem Rollwagen wieder. Offenbar bin ich nicht nur zur Reinigung hier, so viel ist sicher, spätestens seit dieser Akkuschrauber an meinen Schrauben herumdrückt. Es surrt. Ich kenne das Geräusch: eindeutig ein Festool Akku-Bohrschrauber, ein CXS im ersten Gang bei etwa 400 Umdrehungen pro Minute. Dem optischen Zustand nach zu urteilen handelt es sich um ein noch recht junges Exemplar. Der Besitzer scheint genau zu wissen, was er will; Schraube für Schraube wird meine äußere Griffschale gelöst. Ein Luftzug fährt durch meinen Absaugkanal, mein Getriebegehäuse wird geöffnet …


Kein Zahnrad, kein Antrieb
„Es ist das Zahnrad!“, sagt der Mann mit einem siegessicheren Grinsen. Ich hätte es wissen müssen! Ich war in der letzten Zeit so antriebslos. Trotz des nagelneuen Schleifpapiers konnte ich meine volle Kraft nicht auf die Wand bringen. Jetzt wird mir klar, weshalb das so war: Das Zahnrad hat sich mit der Zeit abgenutzt. Kein Wunder, ich war ja schließlich das gesamte letzte Jahr im Dauerbetrieb und viele Dutzend Stunden auf Wänden und Decken unterwegs. Der Mann sieht jetzt sehr zufrieden aus. Er holt ein neues Zahnrad aus dem Regal hinter mir. Mit einer Spezialmaschine passt er es ein und setzt eine neue Dichtung auf. Es surrt erneut und kurze Zeit später sitzen alle Schrauben wieder an Ort und Stelle. Ein gutes Gefühl!
Planex unter Strom
Seit ein paar Sekunden hänge ich an einer Art Blackbox. Mit einem Kabel tastet mich der Mann ab – keine Ahnung, was er da tut. Aha, er vergleicht die Werte auf dem Display – und bringt dann einen Aufkleber auf meinen Kopf an: „VDE und DGUV geprüft“. Na klasse, soll ich jetzt etwa mit diesem Aufkleber auf der Stirn draußen herumschleifen? Er murmelt noch etwas von: „… sollte man jedes Jahr machen.“ Wenn der so weitermacht, gehe ich bald an die Decke! Doch zum Ärgern habe ich keine weitere Gelegenheit: Jetzt wird mir plötzlich ein vertrautes rundes Teil direkt auf meinen Schleifteller gesetzt – ein Absaugmobil startet. Unterdruck baut sich auf. „Na also, 210 Millibar, die läuft wieder!“, sagt der Mann triumphierend, packt mich am Hals und legt mich zurück in den Systainer. Als der Deckel zuklappt, ist der Ärger verflogen – ich fühle ich mich fit wie am ersten Tag! Hatte der Mann am Ende etwa recht? War die Tortur am Ende vielleicht doch nur eine Wellness-Behandlung? Ist mir ja eigentlich auch egal, ich freue mich jetzt schon auf den nächsten Schleifeinsatz!






